08 Dez 2019

Die auf den Fußballfan zugeschnittene Strafrechtsnorm – § 27 Abs. 2 Versammlungsgesetz

Liebe Unioner,

heute wird es in der Sache sehr historisch wie theoretisch. Ich möchte eine Strafrechtsnorm behandeln, welche geradezu explizit von der Politik geschaffen worden ist, um ein mögliches strafrechtlich sanktionierendes Verhalten von Fußballanhängern bereits weit im Vorfeld eines Stadionbesuchs zu prüfen. Es handelt sich hierbei um § 27 Abs. 2 des bundesdeutschen Versammlungsgesetzes.

Nach dieser Vorschrift ist es strafbar, wenn man im Stadion oder auch nur auf dem Weg zu diesem, Schutzwaffen mit sich führt oder sich vermummt. Nun klingt der Begriff Schutzwaffen recht dramatisch – eine Schutzwaffe ist beispielsweise auch ein handelsüblicher mitgeführter Mundschutz oder einfache Bandagen. Vermummungsutensilien können auch ein Schlauchschal oder eine zu tief ins Gesicht gezogene Mütze sein. Wenn Ihr euch heute im Stadion umschaut, werdet ihr daher viele Unioner um euch herum finden, die sich potentiell strafbar anhand der oben genannten Bestimmung machen.

Der Bundestag verabschiedete die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Versammlungsgesetz nachträglich zum bereits bestehenden Bundes-Versammlungsgesetz am 09. Juni 1989. Die damalige Bundestagsdebatte war seinerzeit davon geprägt, dass linke Gewalttäter, die sich in einem sogenannten „schwarzen Block“ organisieren, nicht zureichend strafrechtlich verfolgt werden können. Zum damaligen Zeitpunkt konnte man nicht repressiv durch Strafverfolgung, sondern nur präventiv im Rahmen der Gefahrenabwehr gegen Vermummung bei Demonstrationen vorgehen. Jedenfalls war die Vermummung seinerseits vor dem Jahr 1989 nicht explizit strafbar, sondern lediglich, eingeführt am 25. Juli 1985, als verboten in § 17a Versammlungsgesetz tituliert und bußgeldbewährt. Hinzu kam in der politischen Debatte dann, dass die Demonstration am 01. Mai 1989 in Berlin-Kreuzberg besonders gewalttätig ausfiel. Im Zuge dessen gab es nach Polizeiangaben 346 verletzte Beamte.

Bereits im Rahmen des Gesetzesentwurfs kam die damalige CDU/CSU/FDP-Regierung dann auf die Idee, die Strafbarkeit hinsichtlich des Vermummens und Mitführens von Schutzwaffen nicht nur auf (politische) Versammlungen zu begrenzen, sondern darüber hinaus auch den „marodierenden Fußballfan“ in die Schranken zu weisen. Ende der 80-iger Jahre schwappte schließlich die Ultra-Bewegung von Italien nach Deutschland über. Demzufolge galt es auch hier, der Lage Herr zu werden. Dass konservative Regierungen dann gerne zum Mittel der Ausdehnung und Verschärfung des Strafrechts greifen, ist hinlänglich bekannt. Dass nicht nur Versammlungen, sondern auch öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel mit in den Tatbestand aufgenommen worden sind, fand in der parlamentarischen Debatte seinerzeit nahezu keine Beachtung. Dabei ist diese Vorschrift nahezu explizit auf den Fußballsektor zugeschnitten.

Heraus gekommen ist ein Gesetz, welches seitens der Ermittlungsbehörden bemüht wird, um sogenannte Vorfeld- und Anschlusskriminalität im Rahmen von Fußballspielen strafrechtlich zu sanktionieren. Aufgrund der verhältnismäßig geringen Strafandrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe ist zusätzlich problematisch, dass aufgrund des Aufbaus des Instanzenzuges in der Strafgerichtsbarkeit es wohl nicht dazu kommen wird, dass dem Bundesgerichtshof die Feinheiten und Schwierigkeiten des § 27 Abs. 2 Versammlungsgesetz je vorgelegt werden. Im Ergebnis kann die rechtliche Überprüfung nur seitens der höchsten Ländergerichte erfolgen. Dass dabei Richter aus Hamm ganz anders über die Sache befinden als Richter in Rostock wird so hingenommen, führt allerdings nicht zu einer Rechtssicherheit.

Hinzu kommt außerdem, dass die Bundesländer nach der Föderalismusreform im Jahre 2006 durch Artikel 125a Grundgesetz die Möglichkeit haben eigene, sodann anzuwendende Versammlungsgesetze zu erlassen. Von dieser Möglichkeit haben bislang nur 5 von 16 Bundesländern Gebrauch gemacht. Das Land Berlin hat nur einen Teilbereich des Versammlungsrechts selbständig geregelt, weswegen in der hier behandelten Sache nach wie vor das Bundesversammlungsgesetz Anwendung findet.

In der Summe handelt es sich hier um ein sehr offenes Feld in der Auseinandersetzung mit den Strafverfolgungsbehörden. Nach unserer Erfahrung können dabei bei jedem Tatvorwurf Argumente ins Feld geführt werden, die die strafrechtliche Bewertung dieser Fälle zumindest ins Wanken bringen. Es lohnt sich daher stets im Kontext dieser konkret vorgeworfenen Straftat sich dagegen zu wehren.

Eisern Union

Dirk Gräning

Rechtsanwalt